Ein Leben in Musik

Mit Fanny Hensel durch das Jahr

"Jetzt mache ich eine andre kleine Arbeit, an der ich viel Spaß habe, nämlich eine Reihe von 12 Clavierstücken, die die Monate vorstellen sollen (…). So suchen wir uns das Leben zu zieren und zu verschönern, das ist der Vorzug der Künstler, daß sie solche Verschönerungen rings um sich her streuen, und alle die daran Antheil nehmen lassen können, die ihnen irgend nahe stehn."

Fanny Hensel in einem Brief an Friedrich August Elsasser vom 11. November 1841.

Fanny Hensel, unbekannter Maler, Reproduktion des Ölgemäldes
Fanny Hensel, unbekannter Maler, Reproduktion des Ölgemäldes © Mendelssohn-Haus Leipzig

Fanny Hensel komponierte zwölf Charakterstücke, die sie als Klavierzyklus Das Jahr ihrem Mann Wilhelm Hensel zu Weihnachten 1841 schenkte. Der Hofmaler Wilhelm Hensel verzierte die Notenblätter mit Vignetten verzierte, die das Wesen des jeweiligen Stückes darstellen. Mit seinen Naturstimmungen, jahreszeitlichen Ereignissen, Reminiszenzen an die Höhepunkte des Kirchenjahres und Erinnerungen an die Reise nach Italien ist der Klavierzyklus ein musikalisches Abbild der gemeinsam verbrachten Lebenszeit. Diesem Vorbild folgend werden hier anhand eines Jahres Episoden erzählt, die das Leben dieser herausragende Musikerin des 19. Jahrhundert illustrieren.

  • Der Januar - Frühe Begabung und Förderung

    Lea Mendelssohn Bartholdy attestierte ihrer ältesten Tochter unmittelbar nach der Geburt „Bachsche Fugenfinger“ und begann schon früh, sie im Klavierspiel zu unterweisen. Später wurde Fanny gemeinsam mit dem Bruder Felix fünf Jahre lang von Ludwig Berger unterrichtet. Ab 1819 erhielten die musikalisch hochbegabten Geschwister zudem Kompositionsunterricht durch Carl Friedrich Zelter. Ungeachtet ihres herausragenden Talents verlangte der Vater, dass für Fanny die Musik niemals Beruf, sondern „stets nur Zierde“ sein solle. Sie beugte sich bis kurz vor ihrem Tode der väterlichen Forderung und versuchte, sich mit dem ihr gesteckten Rahmen zu arrangieren.

  • Der Februar - Ein Winter in Rom - 1839/40

    Am 27. August 1839 setzte sich die Eisenbahn von Potsdam aus Richtung Süden mit Fanny, ihrem Mann Wilhelm, dem neunjährigen Sohn Sebastian und der Köchin Jette in Bewegung. Endlich ging es nach Italien. Damit erfüllte sich Fannys Jugendtraum, die wie so viele Zeitgenossen von Italien schwärmte. Ihr Mann hatte bereits vor der Heirat in Rom gelebt, und Felix bereiste 1830/31 für neun Monate das Sehnsuchtsland. Ein Jahr dauerte ihre Reise. Die Hälfte der Zeit verbrachten sie in Rom. Selbstverständlich wurde Goethes Italienische Reise mitgeführt, die sie wie eine Art literarischen Reiseführer benutzten. Auch von ihrem Bruder ließ sich Fanny einen ausführlichen Brief mit Empfehlungen schicken. Die Reise war eine Bildungs- aber vor allem eine Kunstreise. Während der Aufenthalte in den verschiedenen Städten wie auch zunächst in Rom selbst stand der Besuch von Kirchen, Gemäldegalerien, Kunstausstellungen, berühmten Gebäuden und antiken Stätten im Mittelpunkt. Durch Wilhelm kam sie auch immer wieder in Kontakt mit zeitgenössischen Malern.

    In Rom genoss Fanny das milden Klima, die üppige blühende Pflanzenwelt, während in Deutschland tiefster Winter herrschte und lernte ein völlig neues Lebensgefühl fernab von preußischer Pflichterfüllung kennen, das sie als Komponistin, Pianistin und als Frau beflügelte.

  • Der März - Das Œuvre

    Die wenigen Werke, die Fanny Hensel in den Druck gegeben hat, sind kein Maßstab für den Umfang ihres Schaffens. Das Werkverzeichnis umfasst nahezu 250 klavierbegleitete Lieder und 150 Klavierwerke, darüber hinaus Kammermusik, eine Orchesterouvertüre, ein Festspiel, Gesangsduette, -terzette und Chöre sowie drei Kantaten. Das letzte Werk, an dem sie im März 1847 arbeitete, war ein Klaviertrio in d-Moll, das posthum als Opus 11 erschien. Unübersehbar nimmt das Sololied einen großen Raum in ihrem Œuvre ein. Die über den gesamten Schaffenszeitraum entstandenen Vertonungen offenbaren Fanny Hensels große Begabung für die Schöpfung von Melodien und ihr Einfühlungsvermögen in die zeitgenössische Lyrik. Nicht ohne Grund befand Felix Mendelssohn Bartholdy, dass er Besseres als die Lieder seiner Schwester nicht kenne; sie seien die schönsten, die jetzt ein Mensch auf der Erde machen kann. Doch es wurde erwartet, dass sie ihr Talent nur im häuslichen Rahmen entfaltete. Sie hingegen wünschte sich, ihre Kompositionen publik machen zu können. 1827 erschien mit Opus 8 die erste Liedersammlung von Felix Mendelssohn Bartholdy. Darin enthalten sind drei Kompositionen Fanny Hensels, darunter Italien, das zu einem beliebten Lied Mendelssohns avancierte. Das Erscheinen ihrer Lieder unter dem Namen des Bruders war ein Kompromiss, der von der Familie gebilligt wurde. Das bewährte Verfahren wiederholte sich bei Mendelssohns Opus 9.

    Im Sommer 1846 entschloss sich Fanny Hensel, ihre Werke zu publizieren: ... es ist sehr pikant, diese Art v. Erfolg zuerst in einem Alter zu erleben, wo sie für Frauen, wenn sie sie je gehabt, gewöhnlich zu Ende sind, vertraute sie ihrem Tagebuch an.

  • Der April - Das Künstlerpaar Fanny und Wilhelm Hensel

  • Der Mai - Ein unerwarteter Verlust

    Eine völlig unerwartete für die künstlerische Welt Berlins tief schmerzliche Nachricht, hatte uns [...] hier betroffen, – der Tod der Schwester Felix Mendelssohns, Frau Fanny Hensel, die auch die Schwesterschaft des Talents mit dem berühmten Bruder theilte! Sie hatte in der Musik einen Grad der Ausbildung erreicht, dessen sich nicht viele Künstler, denen die Kunst ausschließlicher Lebensberuf ist, rühmen dürfen.

    Nachruf für Fanny Hensel, geschrieben von dem Musikkritiker Ludwig Rellstab.

    Der Tod von Fanny Hensel vor 175 Jahren kam unerwartet und schnell. Ein Taubheitsgefühl in den Händen zwang sie am 14. Mai 1847, die Probe zur nächsten Sonntagsmusik zu verlassen. Sie erlag innerhalb weniger Stunden einer Hirnblutung. Die Großtante Henriette Mendelssohn, die eine der genauesten Beschreibungen von Fanny Hensels letzten Stunden gegeben hat, kam zu dem Schluss: Einen schönern Tod, mitten in der Ausübung ihrer liebsten Beschäftigung, sich ganz befriedigt fühlend und geliebt und geachtet von allen, die sie kannten, gibt es nicht.

    Fanny Hensel starb genau zu jenem Zeitpunkt, als sie sich von den für Frauen ihrer Zeit geltenden Konventionen befreit hatte und als Komponistin an die Öffentlichkeit getreten war. Sie erfreute sich an ersten positiven Rezensionen, hatte gerade einen neuen Chor zusammengestellt, mit dem sie die Sonntagsmusiken noch besser vorbereiten konnte, und steckte voller Pläne, zum Beispiel für eine weitere Italienreise. Wie bei ihrem Bruder, der wenige Monate später sterben sollte, stellt sich auch hier die Frage: Was hätte sie noch zu leisten vermocht, wäre ihr mehr Lebenszeit gegeben gewesen?

  • Der Juni - Der Blick der Zeitgenossen

    Am 27. Juni 1847 fand zu Ehren Fanny Hensels in Berlin eine musikalische Gedenkfeier statt, zu der Mozarts Requiem und Auszüge aus Mendelssohns Paulus erklangen.

    Die Reaktionen auf den Tod von Fanny Hensel waren zahlreich und verdeutlichen einmal mehr, wie groß der Ruhm war, den sie sich unter den Zeitgenossen erworben hatte.

    In den Memoiren des Komponisten Charles Gounod, der Fanny Hensel in Rom kennengelernt hatte, steht zu lesen: Madame Hensel war eine außergewöhnliche Musikerin, bemerkenswerte Pianistin, eine Frau spritzigen Geistes, klein, aber voller Energie, die sich in ihren tiefen Augen und ihrem Blick, der voller Feuer war, erahnen ließ. Sie war begabt mit seltenen Fähigkeiten als Komponistin.

    Aber auch in der renommierten Leipziger »Allgemeinen Musikalischen Zeitung« von 1847 findet sich eine Würdigung der Künstlerin: Man würde irren, wenn man Frau F. Hensel zu den Nachahmern ihres Bruders zählen wollte. Wer es weiss, dass beide Geschwister dieselbe musikalische Erziehung genossen, in derselben Kunstanschauung aufgewachsen sind, kurz, ihre ganze musikalische Jugend zusammen verlebt haben, wird eine Familienähnlichkeit der Compositionen beider natürlich, ja nothwendig finden. [...] Die Verschiedenheit ist trotzdem für den schärfer Blickenden klar genug. Mendelssohn’s Ausdrucksweise ist höchst präcis, er sagt lieber zu wenig als zu viel, er baut stets auf einen Gedanken und rundet das Ganze auf leicht verständliche Weise. Die Lieder der Frau F. Hensel sind complicirter; der Phantasie ist hier freiere Bewegung gestattet, die Form breiter angelegt, nicht selten auch durch einen antithetischen Mittelsatz grössere Mannichfaltigkeit erzielt.

  • Der Juli - Eine unvergessliche Reise in die Schweiz

    Am 6. Juli 1822 setzen sich in Berlin zwei Kutschen in Bewegung. Es war der Auftakt zu einer dreimonatigen Reise, die die 16-jährige Fanny im Kreis ihrer Familie zu einer ausgedehnten Tour durch die Schweiz führen sollte. Eine Reise, wie sie Abraham Mendelssohn in jenem Jahr organisierte, war angesichts der Anzahl der Mitfahrenden von zwölf Personen, der Dauer und den damit einhergehenden Kosten etwas ganz Außergewöhnliches zu jener Zeit.

    Man bewunderte den berühmten Rheinfall von Schaffhausen, unternahm einen Ausflug auf die Rigi, überquerte den Vierwaldstätter See, besuchte das Berner Oberland und Städte wie Konstanz, Zürich, Luzern, Lausanne,Chamonix, Genf oder Basel. Dabei gelangte man in die Nähe von Fannys Sehnsuchtsland Italien, was auch bei mehreren Mitgliedern der Gesellschaft den Wunsch zur Weiterreise dorthin weckte, doch Abraham Mendelssohn entschied sich zum großen Ärger von Fanny in letzter Minute gegen einen Abstecher: In Gottes größte Natur bin ich getreten, das Herz hat mir gebebt vor Schauer und Ehrfurcht, und als ich, wieder beruhigt, das menschlich Schönste, das anmutig Lieblichste erblickte, als ich an der Grenze von Italien stehe, da ruft mein Schicksal: bis dahin und nicht weiter! Am Fuße des Gotthards bekannte sie: Wäre ich an diesem Tage ein junger Bursche von 16 Jahren gewesen, bei Gott, ich hätte zu kämpfen gehabt, um keinen dummen Streich zu begehn. Ihren Gefühlen ließ sie in der Vertonung von Goethes Gedicht Kennst Du das Land, wo die Zitronen blühen? freien Lauf. Auf der Rückreise machte die Familie Mendelssohn Station in Frankfurt am Main, wo sich Abraham und Lea Mendelssohn sechs Jahre nach der Taufe ihrer Kinder ebenfalls taufen ließen und die Familie nun den offiziell den Doppelnamen Mendelssohn Bartholdy führte.

  • Der August - Eine außergewöhnliche Begegnung mit Goethe

    Am 28. August 1822 jährte sich der Geburtstag von Johann Wolfgang von Goethe zum 73. Mal. Kurz darauf hatte Fanny erstmals die Gelegenheit, dem Dichterfürsten persönlich gegenüber zu stehen. Ihr Vater Abraham Mendelssohn durfte bereits 1816 Goethes Bekanntschaft machen, der in der Familie Mendelssohn kultisch verehrt wurde. So ist es nicht verwunderlich, dass Fanny und Felix dessen Gedichte schon früh vertonten. 1821 wurde Felix von seinem Lehrer Carl Friedrich Zelter im Goetheschen Hause eingeführt und ein Jahr später bekamen schließlich alle anderen Familienmitglieder bei einem zweitägigen Aufenthalt in Weimar – auf der Rückreise von der Schweiz – die Gelegenheit, den Dichter kennen zu lernen. Lea Mendelssohn berichtete ihrer Cousine Henriette von Pereira-Arnstein: Daß Weimar der schöne Schlußstein war, der das Ende unserer Reise krönte, weißt Du wohl schon, liebe Jette! An Goethens und Schopenhauers machten wir unvergessliche, herrliche Bekanntschaften. Mit inniger Mutterfreude sah ich, dass Felix sich unter den vorzüglichen Menschen ungemein beliebt gemacht hatte und gern verdankten die glücklichen Eltern ihm die ausgezeichnete Güte mit der wir aufgenommen wurden. ... Auch gegen Fanny war Goethe sehr gütig und herablassend; sie musste ihm viel Bach spielen, und seine, von ihr komponirten Lieder gefielen ihm außerordentlich, so wie es ihn überhaupt erfreut, sich in Musik gesetzt zu hören. Vier Lieder hatte Fanny zu dieser Zeit auf Texte von Goethe komponiert und wohl zu diesem Anlass vorgetragen. Sie muss auf Goethe einen große Eindruck gemacht haben, da jener in einem Brief an Felix schrieb: Empfiel mich … der gleichbegabten Schwester ...

    1827 bedachte Goethe Fanny sogar mit dem Gedicht Wenn ich mit in stiller Seele, was sie mit großer Dankbarkeit erfüllte und zur Vertonung inspirierte: Ein Gedicht von Goethe! Ein solches Gedicht! Und ganz von seiner Hand. Ich werde es, da es mir nicht Belohnung schon errungener Verdienste seyn kann, als Aufmunterung betrachten, und mich bemühen, es einst in Zukunft zu verdienen ...

  • Der September - Eine Reise nach Frankreich und Belgien

    Anfang September des Jahres 1835 war Fanny Hensel mit ihrer Familie in Boulogne. Der Hausarzt hatte ihr zur Stärkung ihrer Gesundheit dringend zu einem Aufenthalt in einem Seebad geraten hatte. Die Wahl des Badeortes Boulogne-sur-Mer war gefallen, da sich verschiedene Interessen und Reiseziele damit verbinden ließen. Die erste große Station war Köln.

    In jenem Jahr leitete Felix Mendelssohn Bartholdy zum zweiten Mal das »Niederrheinische Musikfest«, das traditionell am Pfingstwochenende veranstaltet wurde. Die gesamte Familie nahm dies zum Anlass für ein Treffen in Köln. Fanny und ihre Schwester Rebecka wirkten als Choristinnen bei den vom Bruder dirigierten Aufführungen mit. Wilhelm Hensel, dessen Schwester Minna, Sohn Sebastian und die Eltern Abraham und Lea Mendelssohn Bartholdy saßen im Publikum und wurden Zeugen des großen Erfolges der Konzerte. Im Anschluss an das Festival reisten die Hensels über Lüttich nach Paris. Dort widmeten sie sich intensiv der bildenden Kunst; begegneten den Malern Paul Delaroche, Horace Vernet, Francois Gérard sowie Frédéric Chopin und Giacomo Meyerbeer. Über Rouen und Abbeville erreichten sie dann Boulogne.

    Die Zeit in dem Seebad war sicherlich erholsam, doch der umtriebigen Fanny etwas zu eintönig. Sie würde sich wie ein Mops im Mondenschein langweilen, schrieb sie an ihre Schwester Rebecka. Einmal traf sie Heinrich Heine, den sie noch immer nicht sonderlich sympathisch fand, aber dennoch während ihres Aufenthaltes einige Gedichte ihm vertonte.

    Die Rückreise verbanden sie mit Stationen in Brügge, Gent und Brüssel. Den letzten Halt legten sie Ende September 1835 in Leipzig ein. Felix Mendelssohn Bartholdy war einen Monat zuvor eingetroffen und bereitete sich auf sein Amt als Gewandhauskapellmeister vor. Zu seinem Antrittskonzert am 4. Oktober weilte Familie Hensel jedoch bereits wieder in Berlin.

  • Der Oktober - Fannys Besuche in Leipzig

    Sechs Mal besuchte Fanny Hensel ihren Bruder in Leipzig. Der Grund für die Reise im Oktober 1837 war der dringenden Wunsch, endlich die Frau kennenzulernen, die ihr Bruder ein halbes Jahr zuvor geheiratet hatte. Bisher kannte sie ihre neue Schwägerin Cécile Mendelssohn Bartholdy, geb. Jeanrenaud nur aus Erzählungen und war ziemlich verstimmt darüber, dass ihr Bruder es bisher nicht für nötig gehalten hatte, seine Frau in Berlin vorzustellen. Vierzehn Tage währte der Aufenthalt, den die Geschwister auch nutzten, ausgiebig miteinander zu musizieren, während Wilhelm Hensel die Schwägerin zeichnete und Cécile, die selbst ausgezeichnet malte, dessen Zeichenbücher bewunderte. Ihren Aufenthalten in Leipzig verdankte Fanny Hensel u.a. die Bekanntschaft mit Hector Berlioz sowie Clara und Robert Schumann. Nach seinem Intermezzo in Berlin bezog Mendelssohn im Spätsommer 1845 mit seiner Familie in Leipzig eine neue Wohnung in der Königstraße 5 (heute Mendelssohn-Haus Leipzig). Fanny reiste Anfang des Jahre 1846 nach Leipzig, um einen Flügel von Breitkopf & Härtel auszuprobieren, den Mendelssohn für ausgesucht hatte. Dazu ließ Mendelssohn das Instrument in seinen Musiksalon bringen. Für den Abend wurden weitere Musiker, darunter Clara Schumann, zu einer Soiree eingeladen. Der Flügel überzeugte Fanny und stand bald darauf in ihrem Musikzimmer in Berlin.

  • Der November - Pianistin, Dirgentin und Geburtstagskind

    Am 14. November 1805 kam Fanny Hensel in Hamburg zur Welt. Die junge Mutter bemerkte bei der neuen Erdenbürgerin bereits die Bach’schen Fugenfinger. Etwas übertrieben, mag auch der Vater gedacht haben. Aber Lea Mendelssohn Bartholdy sollte recht behalten. Jeder Finger eine Nachtigall!, rief die Dichterin Helmina von Chézy der 17-jährigen Fanny zu, nachdem sie ein Stück von Carl Maria von Weber gespielt hatte. Mit ihrem überragenden Talent, der umfassenden musikalischen Ausbildung, den beständigen Auftritten in den musikalischen Veranstaltungen der Eltern sowie in den ab 1831 in eigener Regie veranstalteten Sonntagsmusiken entwickelte sich Fanny zu einer veritablen Pianistin. Der Ruf ihres Könnens wurde von den vielen auswärtigen Besuchern der Leipziger Straße 3 weit über die Tore des elterlichen Hauses hinausgetragen. Selbst die renommierte englische Musikzeitschrift The Harmonicon berichtete 1830 von ihrem außerordentlichen Klavierspiel.

    Zu ihren Geburtstagen beschenkt Felix seine Schwester gern mit eigens komponierten Werken. Das Konzert E-Dur für zwei Klaviere und Orchester (MWV O 5) erhielt sie 1823, ein Jahr später das Konzert As-Dur für zwei Klaviere und Orchester (MWV O 5) und 1828 ein mit Lied betiteltes Klavierstück (MWV U 68). Es war das erste Lied ohne Worte.

    Mit dem Leiten und Einstudieren ihrer eigenen musikalischen Aufführungen war Fanny auch als Dirigentin gefragt. Auf die Konzerte bereitete sie sich gründlich vor und korrespondierte mit ihrem Bruder über Tempi und Stimmungen. Auch sie besaß wie ihr Bruder die besondere Gabe, alle Mitwirkenden durch die Musik zu führen: Es war ein Aufnehmen des Geistes der Komposition bis zur innersten Faser und das gewaltigste Ausströmen desselben in die Seelen der Sänger und Zuhörer. Ein Sforzando ihres kleinen Fingers fuhr uns wie ein elektrische Schlag durch die Seele ..., erinnerte sich die Pianistin Johanna Kinkel. Der Generalintendant der königlichen Schauspiele Graf Carl von Brühl soll seufzend nach einer von Fanny geleiteten Aufführung der Oper Iphigenie auf Tauris von Gluck bemerkt haben: Ja, wenn ich solchen Kapellmeister gehabt hätte!

  • Der Dezember – Geselligkeit in Berlin

    Wir haben eines der lustigsten Weihnachten gehabt, u. nur bedauert, daß Du nicht dabei warst, bei meiner Kenntnis Deines Charakters glaube ich, Du hättest vor Lachen unter dem Tisch gelegen.

    Fanny Hensel in einem Brief an ihren Bruder Felix vom 25. Dezember 1834

    Die Familie Mendelssohn Bartholdy pflegten ein offenes Haus, umgab sich gern mit musikalischen, kunstliebenden und geistreichen Menschen und verstand es, Feste zu feiern. Neben den Sonntagsmusiken mit ihrem Konzertcharakter wurde zu vergnüglichen Abendgesellschaften eingeladen. Bis 1829 waren Lea und Abraham Mendelssohn Bartholdy die Einladenden. Dann gründeten ihre Kinder nach und nach einen eignen Hausstand und veranstalteten selbst Gesellschaften. Hier zeigte Fanny Hensel mit ihrem Einfallsreichtum und als Gastgeberin ebenfalls wahres Talent.

    Besuchte ein berühmter Virtuose die Stadt, war dies ebenfalls ein Grund, spontan eine Gesellschaft zu geben. So erhielt Niccolò Paganini im März 1829 eine Einladung zum Dinner. Den Aufenthalt Clara Schumanns, die von Februar bis März 1847 mit ihrem Mann in Berlin weilte, nahm Fanny zum Anlass für eine glanzvolle Soirée.

    Groß gefeiert wurden Familiengeburtstage und -feste wie Weihnachten oder Neujahr. Mit Musik, Schauspiel, Tanz, Dekorationen und Kostümierungen wurden regelrechte Theaterinszenierungen einstudiert. Etliche Kompositionen Fannys Hensels sind für solche Anlässe entstanden. Außerhalb der Gesellschaften pflegte Fanny Hensel einen engeren Freundeskreis. Mit ihrer stetig wachsender Bekanntheit erhielt sie aber so häufig Besuch, dass sie sich teilweise verleugnen ließ. Abends sind wir selten allein, notierte sie 1847 in ihr Tagebuch.