Frank-Michael Erben, Yun-Jin Cho und Patrick Schmeing im Gespräch

Das seit 1808 bestehende Gewandhaus-Quartettn zählt zu den renommiertesten Kammermusik-Formationen der Welt und gestaltete das Festkonzert „25 Jahre Mendelssohn-Haus“ am 31. Oktober 2022. Der Direktor des Mendelssohn-Hauses, Patrick Schmeing, sprach vorab mit dessen Primarius Frank-Michael Erben und der Geigerin Yun Jin Cho.

Patrick Schmeing im Gespräch mit Frank-Michael Erben und Yun-Jin Cho
Patrick Schmeing im Gespräch mit Frank-Michael Erben und Yun-Jin Cho © Christian Kern

Lieber Herr Erben, Sie sind dem Mendelssohn- Haus seit vielen Jahren verbunden. Erinnern Sie sich noch an Ihren ersten Auftritt?
Ich kenne das Haus noch im Bauzustand. Bereits während der einzelnen Sanierungsphasen wurde schon über die Eröffnung und von der ersten Saison gesprochen. Ich bin sicher, dass wir da schon involviert waren, dass ich zunächst mit meiner Mutter im Duo aufgetreten bin und dann recht bald mit dem Gewandhaus-Quartett. Inzwischen gibt es so viele Erinnerungen an das Haus, dass es schwer fällt, den konkreten Tag des ersten Auftritts zu benennen. Ich erinnere mich jedoch an die stets besondere Atmosphäre dieses authentischen Ortes, an dem wir Musik aufführen, die hier entstanden ist oder mit dem Komponisten in unmittelbarem Zusammenhang steht; an ein besonderes Publikum, das genau versteht, worum es geht – absolute Musikliebhaber, die Musik als ein Gesamterlebnis wahrnehmen. Der Musiksalon bietet eine sehr intime Atmosphäre, die Zuhörenden sitzen direkt neben den Musikern.

Wie erleben Sie diese Nähe zum Publikum, Frau Cho?
Das ist wirklich etwas Besonderes. Ich kann mich daran erinnern, dass ich zum ersten Mal als Besucherin hier war. Als ich dann das erste Mal im Salon aufgetreten bin, war ich total beeindruckt davon, mich quasi Auge in Auge mit dem Publikum wiederzufinden. Diese Situation gibt es nicht oft. Ich habe alles mitbekommen, wirklich jede Reaktion, auch wie das Publikum zum Teil mitatmet. Das ist einzigartig. Und ich habe auch die andere Seite kennengelernt, habe im Rahmen der Akademie-Konzerte im Publikum gesessen, was ebenfalls eine besondere Erfahrung war.

Sie haben gesagt, Sie waren zunächst als Besucherin hier ...
Ich bin im Sommer 2008 vor meiner ersten Spielzeit am Gewandhaus nach Leipzig gezogen. Kurz davor habe ich das Mendelssohn-Haus mit meiner Mutter und meiner Schwester besucht. Da gab es den modernen Teil im Erdgeschoss noch nicht, aber es war schön, in der ersten Etage in die Lebenswelt des Komponisten eintauchen zu können. Das Arbeitszimmer hat mich sehr beeindruckt. Das Mendelssohn-Haus gehört heute zu Leipzig, es ist eine Attraktion, die man gar nicht auslassen kann.

Wie ist der Blick des Gewandhaus-Musikers auf das Mendelssohn-Haus?
Frank-Michael Erben: Die Beziehung zwischen Gewandhaus, Gewandhaus-Quartett und Mendelssohn-Haus war immer sehr eng. Der Konzertmeister Ferdinand David, einer meiner berühmten Vorgänger, stand Mendelssohn sehr nahe und führte sein e-Moll-Violinkonzert zum ersten Mal auf. Ich habe nun die gleiche Position inne und unzählige Male dieses Violinkonzert im Gewandhaus und auf Konzertreisen gespielt. Und Ferdinand David war ebenso wie ich der Primarius des Quartetts. Ich denke auch an die musikalischen Morgenunterhaltungen im Mendelssohnschen Salon – eine Tradition, die ja bis heute lebendig ist – zu denen die neuesten Kompositionen einem erlesenen Kreis vorgestellt wurden. Clara Schumann schrieb sehr dezidiert darüber in ihren Tagebüchern. Viele wissen gar nicht, dass Stücke, die wenige Wochen später im Gewandhaus uraufgeführt worden sind, ihre Feuertaufe im häuslichen Salon erlebten. Einige der Mendelssohnschen Quartette wurden vom Gewandhaus-Quartett uraufgeführt, aber zuvor im Hause des Komponisten ausprobiert. Danach gab es einen Austausch: Wie kommt das Stück an? Wie sind die Proportionen? Was habt ihr für einen Eindruck? Mendelssohn waren diese Rückmeldungen wichtig. Ich hätte alles dafür gegeben, diesen Entstehungsprozess mitzuerleben.

Was geht Ihnen durch den Kopf, Frau Cho, wenn Sie als Mitglied des Gewandhaus- Quartetts auf Mendelssohn blicken?
Ich bin vor allem sehr dankbar, dass ich das alles so erleben darf. Das Mendelssohnsche Violinkonzert war eines der ersten, mit dem ich öffentlich aufgetreten bin. Die Tradition des Gewandhaus-Quartetts fortführen zu dürfen, ist für mich eine große Ehre. Kein Künstler kann ernsthaft die Hoffnung haben, so etwas zu erleben. Wenn es dann so kommt, ist es ein unglaubliches Geschenk und wunderbar.

Gespräch im historischen Musik-Salon
Gespräch im historischen Musik-Salon © Christian Kern

Was wünschen Sie dem Mendelssohn-Haus für die nächsten 25 Jahre?
Yun-Jin Cho: Ich wünsche mir, dass diese gelebte Tradition hier weitergeführt wird, und dass die jungen Musikerinnen und Musiker, die die Mendelssohn- Akademie des Gewandhauses durchlaufen, weiterhin Gelegenheit bekommen, an diesem besonderen Ort zu spielen und kammermusikalische Erfahrungen zu sammeln.

Frank-Michael Erben: Das Mendelssohn-Haus und die hier arbeitenden Menschen sind lebendig und neugierig. Das wird deutlich an den Veränderungen der letzten Jahre. Es nahm seinen Anfang mit der Erweiterung der Ausstellung im Erdgeschoss mit seinen interaktiven Möglichkeiten, mit denen man jungen Besuchern Mittel an die Hand gibt, Mendelssohn auf ihre eigene Weise zu entdecken. Genauso muss das Kurt-Masur-Institut und die wunderbare Ausstellung über Fanny Hensel, Mendelssohns ältere Schwester, unbedingt Erwähnung finden. Hier wurden kreative Ideen umgesetzt, die Mendelssohn und sein Umfeld reflektieren und erfahrbar machen. Auch der authentische Musiksalon wäre nur tote Materie, würde man ihn nicht so mit Leben erfüllen, wie das hier geschieht. Das wird weitergehen, davon bin ich überzeugt. Es wird neue Formen des Austauschs geben und man muss mit der Zeit gehen. Aber dies wird auch weiterhin gelingen. Das Mendelssohn-Haus ist ein Erfolgsmodell und wird es bleiben.

Unser Motto lautet: Felix macht glücklich! Können Sie dem zustimmen?
Frank-Michael Erben: Unbedingt. Wir dürfen seine Musik interpretieren, das ist das größte Glück. Wir tragen das, was er komponiert hat, weiter in die Ohren und Herzen der Zuhörer und das an einem Ort, an dem er so viele Spuren hinterlassen hat.

Yun-Jin Cho: Felix macht wirklich glücklich! Besser kann man es nicht sagen.