Interview

Martina Gedeck über die Musik, Fanny und Felix

Am 4. November 1847 verstarb Felix Mendelssohn Bartholdy im heutigen Mendelssohn-Haus. Im Gedenken daran ließen im „Konzert zur Todesstunde“ Mojca Erdmann (Sopran) und Elena Bashkirova (Klavier) Lieder der Geschwister Fanny Hensel und Felix Mendelssohn Bartholdy erklingen. "Dazu liest Martina Gedeck eine sorgfältig von ihr selbst getroffene Auswahl der Briefe von Bruder und Schwester: mit fast fiebriger Intensität in der Stimme, emphatisch, doch stilisiert, ganz wie diese Briefe es in ihrer inszenierten, auf das Vorlesen im familiären Salon hin berechneten Spontaneität auch sind. … und dann hört man diese Musik von schmerzlich-heller Glücksintensität, räumlich so nah zur Sängerin und zum Flügel in diesem Salon, dass einem Haut und Knochen mitvibrieren", so Jan Brachmann am 08.11.2021 in der Frankfurter Allgemeine Zeitung.
© Karel Kühne

Wir haben die Schauspielerin vor dem Konzert nach ihrer persönlichen Beziehung zur Musik und den berühmten Geschwistern gefragt.

Welche Bedeutung hat Musik in Ihrem Leben?

Martina Gedeck: Musik ist immer Teil meines Lebens gewesen. Ich habe schon als Kind selbst musiziert auf verschiedenste Weise und das ist bis heute so geblieben. Im Umgang mit Sprache ist es mir immer deutlicher geworden, dass auch hier, also im Schauspiel, musikalische Parameter entscheidend sind und die sprachliche Umsetzung eines Gedankens immer verbunden ist mit einem Verständnis von Puls, Rhythmus, Phrasierung, Melodieführung etc.; so ist die Musik immer anwesend in meinem Leben.

Können Sie sich erinnern, wann und wo Sie erstmals Musik von Mendelssohn hörten? Wann hörten Sie von seiner Schwester?

Eine Schallplatte mit Mendelssohn Bartholdys Violinkonzert wurde gern am Sonntagmorgen aufgelegt, wenn wir das Sonntagsfrühstück bereiteten, dann gemeinsam meist stundenlang zu Tisch saßen und es ein wenig festtäglicher zu -und herging. Wir liebten die Heiterkeit, das Leichte, Frühlingshafte dieses Konzertes. Diese Musik ist eng verbunden mit dem Gefühl von friedlichem, feierlichem Zusammensein, ja von familiärem Glück.
Auch hatte ich die Freude, den „Sommernachtstraum“ zusammen mit wunderbaren und geliebten Kollegen für den WDR zu proben und dann im großen Sendesaal aufzuführen, eine unvergessliche Zeit und so schöne musikalische Arbeit.
Von Fanny erfuhr ich im Zuge meiner Vorbereitung auf „Clara Schumann“. Und dann im Besonderen, als ich die CD „Fanny und Felix Mendelssohn – Zwei Leben für die Musik“ für den BR eingesprochen habe.

Die Geschwister Fanny und Felix hatten eine sehr intensive Beziehung und waren sich sehr nahe: Was empfinden Sie, wenn Sie deren Briefe lesen?

Es besteht ein sehr inniges, tiefes Verhältnis zwischen den Geschwistern. Mir gefällt der persönliche Ton, der Humor und die Offenheit, in der sie miteinander korrespondieren.  Sie waren einander auch auf musikalischem Gebiet unersetzliche Partner und Vertraute, das empfinde ich als etwas sehr Schönes.

Während Felix bereits zu Lebzeiten zu den berühmtesten und erfolgreichsten Künstlern Europas zählte, blieb Fanny trotz ähnlichen Talents im Hintergrund. Wie wäre es wohl, wenn Fanny heute lebte?

Fanny wäre heute eine große und anerkannte Komponistin, vielleicht auch Dirigentin. In der Welt der Musik stünde sie an zentraler Stelle und würde ein nomadisches Leben führen, viel unterwegs sein und das musikalische Leben maßgeblich prägen. Abgesehen von ihrem musikalischen Genie war sie ja eine große Kommunikatorin und verstand es, Menschen zusammenzubringen. Für sie war Musik nichts für den Elfenbeinturm, sondern immer gesellschaftlicher Auftrag, Dialog, Teil des menschlichen Miteinanders und Möglichkeit, menschliches Leben zu verbinden und zu feiern.

Vielen Dank!